24. Januar 2022
Viele von uns sind mit ihnen aufgewachsen und sie symbolisieren für uns die Held*innen der Kindheit – das kleinen Gespenst, der Räuber Hotzenplotz oder die kleinen Hexe sind wahrlich
bekannt.
Doch auch Preußlers Krabat ist ohne Zweifel ein atemberaubendes Jugendbuch und doch muss man erst erwachsen werden, um die Botschaft dahinter verstehen.
Warum ich Krabat so liebe, darum soll es in diesem Beitrag gehen. Ich habe Krabat für die Matur (Abitur) gelesen, aber leider wurde es an der Prüfung nicht abgefragt. Dennoch hat
mich Krabat so in seinen Bann gezogen, dass ich diese Leidenschaft und Begeisterung mit euch teilen möchte. Nachfolgend habe ich über einen Teil der Dinge geschrieben, über die ich gelesen habe
oder selber interpretiert habe. Jedoch bin ich mir sicher, dass es noch viele weitere Anspielungen gibt.
Die Geschichte eines Müllerburschens ist auf den ersten Blick düster und unheimlich. Der Knabe Krabat wird durch Raben im Traum zu der unheimlichen Mühle Koselbruch in
Schwarzkollm gelockt. Der Meister verspricht ihm ein schönes und leichtes Leben und lehrt ihn neben dem Müllern auch die schwarze Magie. In jeder Neumondnacht kommt der Gevatter auf seinem
Schlitten, der von sechs schwarzen Rösser gezogen wird und keine Spuren hinterlässt. In dem siebten Gang der Mühle wird die Ladung des Gevatters gemahlen und die Mühle ächzt und stöhnt fast so,
als würden die Laute von Menschen kommen. Auf der Mühle geschehen unheimliche Dinge und alleine der Meister entscheidet über Tod und Leben. So hat er einen Pakt mit dem Gevatter geschlossen und
jedes Jahr an Silvester stirbt ein Bursche. Der Meister erstrahlt dafür sozusagen in neuem Glanz und „verjungt“. Das Einzige, was der Meister fürchtet, ist die Liebe. Und so ist es an Krabat aus
der Verstrickung des Bösen mithilfe der Liebe zu entkommen.
Vorab einiges zu Preußler. Als Vorlage für Krabat nahm Otfried Preußler die sorbische Sage Krabat und interpretierte diese neu. Fast zehn Jahre arbeitete er an der Geschichte,
wobei er sich in die Mühlentechnik des 17./18. Jahrhundert einarbeitete. Zudem verarbeitete er in Krabat auch noch die Sage des Zauberers Pumphutt.
Preussler betont auch, dass es sich bei Krabat keinesfalls um eine Geschichte handelt, die nur für jung oder alt ist. Sie richtet sich an alle Leute, die in Berührung und Verlockung mit der Macht
kommen und sich darin verstricken. Und genau darum wird es in diesem Blogbeitrag gehen.
Die weitere Ebene in Krabat ist für Kinderaugen nicht unbedingt ersichtlich. Erst mit dem Blick eines Erwachsenen, sieht man „versteckte“ Botschaften, die für Kinder einfach nur
unheimlich oder faszinierend sind. Doch wenn man diese Botschaften erstmal durchblickt hat, wird Krabat magischer und faszinierender denn je zuvor.
Wie viel Preußler in Krabat steckt, wird einem erst bewusst, wenn man sich mit seiner Biographie auseinandersetzt. So war der junge Preußler während dem zweiten Weltkrieg
Gefangener in Jebaluga. Dort wurden die Verstorbenen mit einem Pferdeschlitten abtransportiert. Er vermag wohl kaum ein Zufall sein, dass der Gevatter, der auch als der Gevatter Tod interpretiert
werden kann, auch auf einem Pferdeschlitten daher kommt. Zudem dieser auch noch die Knochen Toter bringt, die in der Mühle zu Knochenmehl verarbeitet werden. Daher kommt auch das Geächze und
Gestöhne der Mühle, während dem Mahlen.
Doch das ist wahrlich nicht die einzige Gemeinsamkeit. Während seiner Gefangenschaft steht eines Tages ein Mädchen vor der Tür des Lagers und bittet um die Herausgabe ihres Burschens. Auch hier
sieht man wieder die Parallelen zwischen Krabat, bei dem die Kantorka um die Herausgabe von Krabat bittet und dem Leben Preußlers.
So kann man auch die Gefangenschaft im Gesamten als Parallele sehen. Denn auch Krabat war in der Mühle gefangen. Es gibt keinen Ausweg aus der Mühle, da der Meister selbst über Leben und Tod
bestimmt.
Abschliessend lässt sich also sagen, dass die Kriegserlebnisse auch den Wunsch nach Freiheit und Rückkehr in ein normales Leben geprägt haben, welchen auch Krabat verspürt.
Während Preußens Gefangenschaft hat seine spätere Frau auf ihn gewartet, was ihm seelisch in der Gefangenschaft sehr geholfen hat. Krabat wurde durch die Liebe seines Mädchens befreit, somit kann
man hier auch wieder Parallelen ziehen.
Der Gevatter kann als Gevatter Tod gesehen werden. Wie oben schon erwähnt, bringt er die Knochen und hat einen Deal mit dem Meister, sodass sich dieser jeweils verjüngen lassen
kann. Dass dessen Schlitten keine Spuren hinterlässt, lässt sich so interpretieren, dass der Tod plötzlich kommt. Jedoch trägt der Gevatter auch eine Hahnenfeder am Hut, was im Mittelalter ein
Zeichen für den Teufel war. Der Gevatter kommt immer in der Neumondnacht, wenn es am dunkelsten ist. Der Neumond widerspiegelt hierbei den Anfang und das Ende und somit widerspiegelt der
Kreislauf des Mondes auch den Kreislauf des Lebens.
Den Meister hingegen kann man als Inkarnation der bösen Macht sehen.
Die sorbische Sage bildet dabei die Grundlage für Krabat. Dort drinnen ist Krabat ein guter Zauberer und geht auf den kroatischen Oberst Johann Schadowitz zurück, Im Volksmund
auch Krabat genannt. Dieser konnte sich aus der türkischen Gefangenschaft befreien. Bei Preußler lässt der Meister Jury und Krabat die Geschichte erleben, indem er sie auf das Kriegsfeld
schickt.
Preußler verchristlicht den heidnischen Glauben. Preußler selbst war Christ und in Krabat lassen sich viele Geschehnisse auf christliche Ursprünge zurückführen. So spielt Ostern
eine zentrale Rolle. An Ostern beginnen immer die wichtigsten Veränderungen. Ostern ist die Auferstehung von Jesus Christus und somit das Motiv der Schaffung von etwas Neuem. An Ostern wird
Krabat als Müllerbursche offiziell aufgenommen. Dazu gehen sie an einen Ort, wo jemand gestorben ist. Dies ist ein Ort zwischen Leben und Tod, was ebenfalls wieder zu Ostern passt. Und zu guter
Letzt hört er die Kantorka dort singen und vergleicht sie mit einer engelsgleichen Stimme, die ihn zu sich ruft.
Der Dreikönigstag hingegen gibt als das Fest der Erscheinung der Dreikönige. In Krabat ruft der Meister jeweils die neuen Burschen zu sich, während Silvester das Symbol für etwas
vergangenes, altes ist und für etwas neues, weshalb auch einer der Burschen sterben muss.
Zwar werden die Wochentage nicht beachtet und es muss auch sonntags geschuftet werden, jedoch wird der Freitag, im Christentum der Tag der Gemeinschaft, in der schwarzen Schule
verbracht.
Die Mühle mahlt die Knochen zu Mehl. Das steht als lebenswichtiges Grundnahrungsmittel, ohne welches ein überleben nicht möglich wäre. Die Mühle ist somit das Symbol des Lebens
und das Mühlrad das Symbol des ewigen Kreislaufes und widerspiegelt die Ablösung von Leben und Tod. Das lebenswichtige Korn hat mit einer Staubexplosion aber auch eine tödliche Seite.
Die erlösende Liebe spielt sowohl im Christentum als auch in Krabat eine grosse Rolle. Die Liebe steht im Mittelpunkt und übersteht alle Gefahren. Die Kantorka ist bereit, sich
für Krabat zu opfern. Ein Zeichen für die Überlegenheit der Liebe ist der Ring aus Haaren. Der Ring steht dabei für die Vollkommenheit, die Unendlichkeit und die grenzenlose Macht.
Preußler baut aber auch okkultistische Elemente ein. So wird zwischen der weissen und der schwarzen Magie unterschieden. Die weisse Magie ist dabei die Gute und die Schwarze die
Böse. So ist auch das Zauberspruchbuch, das Koraktor, weiße Schrift auf schwarzem Papier.
Es gibt aber auch eine Zahlensymbolik. So braucht es in der Mühle immer 12 Müllerburschen, damit die Mühle läuft. Nach Silvester, wenn nur 11 Burschen übrig sind, steht sie solange still, bis ein
neuer kommt. 12 ist die Zahl der Vollkommenheit und erklärt, warum die Mühle nur bei 12 Müllerburschen läuft. 11 hingegen ist die Zahl der Sünde und deshalb steht die Mühle bei 11 Müllerburschen
still.
Aber auch der Farbe Schwarz kommt Bedeutung zu. Es gibt die schwarze Schule, die schwarze Kammer, die Seiten des Koraktors sind schwarz, die Mühle steht in Schwarzkollm (und die
Mühle gibt es übrigens wirklich), der Meister trägt schwarze Kleidung und ein schwarzes Pflaster über dem Auge und die Raben sind schwarz.
Denn Schwarz ist die Farbe des Bösens, vom Tod und der Trauer.
Die Moral von Krabat ist nun ein Plädoyer gegen die Zauberei und den Okkultismus, denn Krabat behält stets das Gute und kämpft gegen das Böse.
Und um all diese Anspielungen zu verstehen, und ich bin sicher, es gibt noch viele mehr, die ich hier nicht aufgezählt habe, muss man wohl einfach die Augen eines Erwachsenen haben. Was mich
besonders fasziniert ist, diese Raffinesse mit der Preußler sein eigenes Leben mit rein spielen lässt, die christlichen und okkultischtischen Elemente und die Sage und damit ein Buch schafft, was
Kinder und Erwachsene gleichermassen in Bann zieht und sie verzaubert.
Absolute Leseempfehlung und wenn ihr weitere Interpretationen findet, dürft ihr mit liebend gerne schreiben, ich freue mich darüber.
Und wer Krabat nicht kennt, der sollte dies unbedingt ändern!
Quellen:
-eigene Interpretationen
-Ich bin ein Geschichtenerzähler von Otfried Preußler aus dem Thienemann-Esslinger-Verlag
-Krabat – Analyse und Interpretation. Hochschule der Medien Stuttgart. Fakultät Information und Kommunikation.